Shitstorm gegen Reichelt
Gegen Julian Reichelt braut sich gerade ein Shitstorm zusammen, und ich kann ihn zum Teil auch verstehen. Was hat er getan? In seiner gestrigen Sendung hat er gefordert, die AfD solle doch Björn Höcke aus der Partei werfen, um »anschlußfähig« zu werden. Das ganze noch garniert mit ein paar Gesten, rollendem Rs und Sprüchen aus den 30er Jahren, die Höcke mit Adolf gemein haben soll.
Ja, Höcke ist sicherlich eine polarisierende Person, und ich kann verstehen, wenn man ihn nicht mag. Andererseits habe ich mir ein paar Interviews mit ihm angeschaut, weil ich mir selber ein Bild machen wollte, und finde ihn deutlich weniger schlimm als er immer dargestellt wird. Meines Erachtens frißt er zudem in den letzten Monaten auch viel Kreide und versucht, markige und vorsätzlich geäußerte, mißzuverstehende Sprüche zu vermeiden, was ihm aber nicht immer gelingt.
Ich gebe auch vielen Kommentatoren recht, die die Forderung zur Anpassung, die »Anschlußfähigkeit« kritisieren: Die AfD geriete in Verdacht, genauso geschmeidig wie die CDU und die FDP zu werden, die sich selber verraten, nur um mit SPD, Grüne und/oder BSW, gar den Linken zu koalieren und/oder eine Duldung zu erreichen. Die Standfestigkeit der AfD ist, kaufmännisch gesagt, mittlerweile für viele Wähler ein »Unique Selling Point« im Parteienspektrum.
Ein weiterer genannter Aspekt ist, daß die Konkurrenz, speziell die linken Parteien, nicht beim Höcke halt machen würde. Kaum hätte die AfD ein »Hindernis« beseitigt, würde eine neue Person, ein neues Problem, ein neuer Grund, eine neue Behauptung gefunden werden, weshalb die «Brandmauer« aufrecht erhalten werden müsse, weshalb Anträge der AfD ignoriert werden müssen, weshalb AfD-Abgeordneten »demokratisch« Ämter/Aufgaben im Bundestag oder Landtagen verweigert werden müssen. Und sie würden fordern, das zu ändern, mit immer intensiverer Mentalität, weil sie ja sehen würden, daß es funktioniere. Das ganze solange, bis die Partei so verwaschen und profillos geworden ist, daß sich die jetzigen Wähler nicht mehr mit ihr identifizieren können und die Zustimmung sinkt. Ergebnis: Konkurrenz erfolgreich ausgeschaltet!
Wiederum andere erklären Reichelt zum CDU-Troll. Sie wundern sich, daß sich Nius nicht zu dem ganzen erbärmlichen CDU-Schauspiel von Mario Voigt in thüringischem Landtag geäußert habe, sowie, daß Reichelt und Nius auch noch keine Gäste aus den Reihen der AfD hatten, was mir, ehrlich gesagt, bislang auch nicht wirklich aufgefallen war, da ich mir die Interviews sowieso nur selten anschaue. In diesem Zusammenhang kam auch die Forderung, er solle nicht über Björn Höcke reden, sondern mit ihm. Da kann er ihn doch »demaskieren«, »stellen«! Oder traut er sich das dann doch nicht zu?