Pyrrhus von Thüringen
Es ist eine Art von Abscheu, die mich erfaßt, wenn ich an das ehrlose Gehampel um die Konstituierung des Landtags in Thüringen denke. Es kristallisiert sich heraus, daß der vermeintliche Skandal von der CDU und seinem Chef Mario Voigt vorweg geplant war. Bekannt ist auf jeden Fall, daß Voigt und sein Stellvertreter schon einen Tag vor dem Ereignis Vollmachten für ihre Anwälte unterschrieben haben. Es ist davon auszugehen, daß auch der wesentliche Entwurf der Klage vor dem Landesverfassungsgericht schon fertig war sowie das Verfassungsgericht zumindest informell über die mögliche Klage informiert war – dank der Sohn-Vater-Verbindung zwischen dem CDU-Landtagsabgeordneten Lennart Geibert und dem Richter am thüringischen Verfassungsgerichtshof, Jörg Geibert, der natürlich selbstverständlich auch CDU-Mitglied ist. Ob diese familiäre Beziehung das nicht unumstrittene Urteil begünstigt hat und ob der Richter sich aus dem Verfahren hätte ausklammern müssen, ist diskutabel, aber letztlich irrelevant.
Zurückblickend muß man nüchtern eingestehen, daß die CDU auf voller Linie gewonnen hat. Die AfD hat aber auch nicht gewinnen können. Selbst wenn von den anderen, sich selbst »demokratisch« nennenden Parteien dieser Streit nicht vom Zaun gebrochen worden wäre, hätte die AfD ihre Kandidatin nie durchbekommen. Es war daher richtig, es nicht weiter eskalieren zu lassen, was durchaus möglich gewesen wäre: Bei einem YouTuber hatte ich aufgeschnappt, daß das Urteil exakt gegen den Alterspräsidenten Treutler in persona gerichtet war. Dieser hätte zurücktreten können, wodurch der zweitälteste Abgeordnete zum Zuge gekommen wäre – wieder ein AfD-Abgeordneter. Dieser wäre formell nicht an das Urteil gebunden gewesen, das Schauspiel hätte in eine weitere – sinnlose – Runde gehen können. Ein weiterer Sieg ist natürlich auch, daß die CDU und ihre politischen Mitstreiter nun eine neue Legende, eine neue »Verschwörungserzählung« in die Welt setzen konnten – die von der Machtergreifung, auch wenn das natürlich genauso völlig an den Haaren herbeigezogen ist wie die Potsdam-Legende: Die AfD und der Herr Treutler haben aus meiner Sicht nichts falsch gemacht, sondern nur die gleiche traditionelle Prozedur angewandt, wie alle ihre Vorgänger, und die war konform zu der Landesverfassung, auch wenn sie nicht so explizit beschrieben ist.
Aber was ist dieser Sieg nun wirklich wert? Die CDU steht heute nicht weniger vor dem Problem wie direkt am Wahlabend, wie sie nun mitregieren will. Sie kommt nicht an der Partei Die Linke vorbei – entweder als per Duldung oder gar als Koalitionsmitglied –, für die bei der CDU per Beschluß bislang genauso eine Brandmauer gilt wie für die AfD. Fraglich ist auch weiterhin, ob die Brandmauer gegen die Linke nicht auch automatisch auch für die BSW gilt: schließlich ist sie eine Abspaltung von den Linken, wenn auch in Thüringen Mitglieder aus anderen Parteien zu ihr übergetreten sind. Problematisch dürfte ein Niederriß dieser Brandmauern auch in der CDU-Parteizentrale in Berlin unter Friedrich Merz und in der CSU-Zentrale in München angesehen werden. Hier versucht man ja gerade, sich ein wenig von der links-grünen Politik zu distanzieren, die Kritik an der CDU/CSU als Blockpartei und Steigbügelhalter linker Ideologien und Migrationspolitik loszuwerden, was insbesonders auch noch anderseitig erschwert wird durch Querschüsse von den Ministerpräsidenten Wüst (NRW), Günther (SH) und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Strobl (BW), wie die Junge Freiheit berichtet. Auch für Mario Voigt persönlich wird es nun enger: Seit Wochen stehen Plagiatsvorwürfe bei verschiedensten Publikationen im Raum, 200 sollen es sein. Nun wurde bekannt, daß die TU Chemnitz nun aktiv wird. Konsequenzen für Voigt sind hier prinzipiell nicht ausgeschlossen.
Summa summarum sieht das alles mehr nach einem Pyrrhus-Sieg für die CDU aus, oder nicht?