23. April 2022
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»Plattform-Grundgesetz«

Von Orwell lernen heißt Überwachen und Kontrollieren lernen. Und bei Orwell lernen wir auch die Verkehrung von Begriffen – Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke. Ja, und Medien-Überwachung und -Zensur sind halt Plattform-Grundgesetz, nach Meinung der EU.

Das EU-Parlament, der Ministerrat und die Kommission haben sich nun auf den »Digital Service Act« geeinigt, offenbar mal wieder in einem Verfahren (»Trilog«), den es offiziell nach den Statuten der EU gar nicht gibt. Aber Gesetze und Regeln sind halt eben nur für andere da. Genau, wie dieser eben beschlossene »Digital Service Act«. Der ist nämlich für uns da. Oder besser: gegen uns. Und daher ist die Bezeichnung als Plattform-Grundgesetz durch Vertreter der EU purer Euphemismus und Orwellsche Sprachverdrehung. Ich zitiere mal aus einem Heise-Artikel, da dieser bislang noch die meisten Details nennt.

Laut der zunächst in Grundzügen getroffenen Übereinkunft sollen Behörden aller Art künftig Host-Providern ohne Richtervorbehalt grenzüberschreitende Anordnungen schicken können, um gegen illegale Inhalte wie strafbare Haßkommentare, Darstellungen sexuellen Kindesmißbrauchs oder die unautorisierte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke vorzugehen. Betroffene Plattformen müssen solche Angebote dann »ohne unangemessene Verzögerung« sperren oder blockieren und bei schweren Straftaten zudem der Polizei melden.

Es ist also praktisch das deutsche Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG) auf EU-Ebene. Es gibt nur einen kleinen Unterschied: Das NetzDG wird sich noch am Grundgesetz messen lassen müssen, sobald das BVerfG mal aus dem Quark kommt – diese Regulierung natürlich nicht. Der Artikel 5 ist dem Digital Service Act nun ziemlich egal. Auch wenn Heise berichtet, daß diese Anordnungen in der Regel auf das Land beschränkt sein sollen, aus der die Anordnung stammt, bin ich gespannt, wenn irgendeine kleine Polizeibehörde in Portugal oder auf Zypern mal hier in Deutschland Sachen sperrt – oder Viktor Orban mal den Haß und die Hetze deutscher Medien und Politiker mal ins Visier nimmt…

Ein weiterer Unterschied ist, daß die Regelungen nicht auf die großen Social-Media-Plattformen beschränkt ist. Auch Webhoster, Domain-Registraturen und Cloud-Anbieter kommen in die Pflicht. Damit kommen auch Blogger und andere in Gefahr, die sich nicht der Social-Media-Plattformen bedienen. Kritische und einflußreiche Webseiten sind daher gut beraten, sich Alternativ-Namen und Server-Kapazitäten außerhalb der EU und der USA (von denen kommt Zuspruch) zu besorgen.

Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, daß der Digital Service Act auch noch andere Dinge regelt, zum Beispiel personalisierte Werbung und Marktmißbrauch großer Unternehmen, auf die ich aber in diesem Blog-Beitrag nicht weiter eingehen will. Aber auch die fallen beim größten Kritiker im EU-Parlament und letzten echten Piraten (seit der Parteiübernahme durch linke Idioten) durch. Auf seiner Homepage schreibt er:

…Die Bezeichnung »Digitales Grundgesetz« verdient das neue Regelwerk insgesamt nicht, denn der enttäuschende Deal versagt vielfach beim Schutz unserer Grundrechte im Netz. Unsere Privatsphäre im Netz wird weder durch ein Recht auf anonyme Internetnutzung noch durch ein Recht auf Verschlüsselung, ein Verbot von Vorratsdatenspeicherung oder ein Recht zur Ablehnung von Überwachungswerbung im Browser (Do not track) geschützt. Die freie Meinungsäußerung im Netz wird nicht vor fehleranfälligen Zensurmaschinen (Uploadfilter), willkürlicher Plattformzensur sowie grenzüberschreitenden Löschanordnungen aus illiberalen Mitgliedsstaaten ohne Richterbeschluß geschützt, so daß völlig legale Berichte und Informationen gelöscht werden können…

Nachtrag: Heise hat nochmal einen sehr ausführlichen Artikel mit vielen Details nachgeschoben

Nachtrag 2: Boris Reitschuster: Zensoren aller EU-Länder, vereinigt Euch! – Schwarze Stunde für Meinungsfreiheit und Rechtsstaat