25. Januar 2025
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Merz' Ritt auf der Rasierklinge

Das wird schon eine ziemliche Spagat-Aktion von Friedrich Merz. Auf der einen Seite will er als Macher dastehen, seinen Worten Taten folgen lassen, auf der anderen Seite brüskiert er alle, auf deren Stimmen er angewiesen ist.

Daß sich SPD und Grüne ziemlich auf den Schlips getreten fühlen, ist offensichtlich. Tatsächlich ist das Brandmauer-Gerede von Merz unehrlich, weil seine Aktion doch stark abweicht von seiner bisher verfolgten Strategie des anti-demokratischen Ausschließens der AfD, die von SPD und Grüne (und anderen) mitgetragen wurde. Gleichzeitig zwingt er die beiden Parteien, die Hosen herunterzulassen. Sie können entweder dagegen stimmen und ihren Wählern signalisieren, daß sie ihren Versprechen treu sind, oder sie stimmen zu, und zeigen ihren Wählern, daß ihre für sie doch ziemlich wichtige Migrationspolitik Verhandlungssache ist.

In diesem Artikel bei der Bild las ich, daß Merz die Entwürfe vorher der SPD, den Grünen und der FDP zukommen lassen will, und zwar nur diesen Parteien. Rein prinzipiell wäre damit der Inhalt noch verhandelbar. Aber einerseits ist die Zeit eigentlich viel zu kurz. Andererseits, sollten substantielle Abschwächungen kommen, würde das Merz schaden, sollten nur kosmetische Änderungen kommen, so schaden sie SPD und Grüne genau wie gar keine. Eigentlich eine lose-lose-lose-Situation.

Die Entwürfe der AfD nicht vorweg zukommen zu lassen, dient natürlich der Aufrechterhaltung des »Brandmauer«-Geredes. Das ist zwar irgendwo verständlich, aber auch ein nicht notwendiger Tritt vor das Schienbein der AfD. Er hätte auch einfach erklären können, die Entwürfe an alle im Bundestag vertretenen Parteien und den Parteilosen zu schicken, wie es in einer parlamentarischen Demokratie eigentlich üblich ist und seinen ursprünglichen Aussagen entspräche.

Die AfD sollte ernsthaft überlegen, ob sie eine Zustimmung ihrerseits nicht ablehnen sollte, natürlich nicht einfach so, sondern mit einer glaubwürdigen Begründung, und wenn sie nur wäre, daß man nicht genügend Zeit gehabt habe. Gleichzeitig sollte sie eine geheime Abstimmung beantragen. Das würde helfen, Merz durch Gegner in der eigenen Partei und bei SPD und Grünen scheitern zu lassen.

Insgesamt bin ich wieder nachdenklich geworden. Im ersten Moment war ich positiv überrascht, daß Merz aus dem »weiter so« endlich ausbricht, einen großen Schritt in die richtige Richtung macht. Aber nun scheint er in der Ausführungen das Gleichgewicht zu verlieren. Es wäre nicht das erste Mal. Und diesmal wäre es für Merz wirklich desaströs.