26. September 2024
September 202426

Entblößung

So, da bin ich wieder. Der Grantler, also meine Wenigkeit, hatte ein paar Tage Urlaub in seiner Geburtsstadt, München, verbracht. Neben einem traurigen familiären Anlaß gab es noch eine zweite Unterbrechung. Ein Unternehmen, mit dem mein Arbeitgeber zusammenarbeitet, hatte zu dem jährlichen Treffen eingeladen. Da sich dieses Treffen zum 25. Mal jährte, wollte man etwas besonderes bieten. Normalerweise findet das Treffen am Stammsitz statt, in der Mitte Deutschlands. So hatten sie es diesmal in der Nähe von München verlegt, mit der Option, nach der Veranstaltung auf die Wiesn zu fahren, Einladung in ein Wiesn-Zelt inbegriffen. Dagegen habe ich prinzipiell erstmal nichts einzuwenden.

Was mich aber bei solchen Gelegenheiten schon immer irgendwie störte, wurde auch hier betrieben: Der Großteil der Mitarbeiter bis zu den Vorständen kamen in Trachten und die Einladung hatte die Gäste – auch aus ganz Deuschland kommend, dazu animiert, dergleichen zu tun. Gefühlt deutlich mehr als die Hälfte der Gäste folgten diesem Ruf.

In einer Zeit, in der in Deutschland ernsthaft diskutiert wird, ob sich unschuldige Kinder als Indianer verkleiden dürfen und tatsächlich bei Karnevalsveranstaltungen schon derart gekleidete Kinder ausgeschlossen wurden, ist das kein Problem, sich als »Bayer« zu verkleiden. Ist das nicht auch »kulturelle Aneignung«, wie es sonst von den Links-Grün-Woken beschimpft wird? Wobei es nicht einmal »Aneignung« ist: Die Tracht ist keine Verkleidung, kein Kostüm, das man aus Gaudi zu einer Karnevals-Veranstaltung trägt, sondern war und ist etwas Identitätstiftendes. Es ist nicht die Kleidung, die man früher so zufällig trug, sondern jeder Ort, jede Region hat/hatte ihre spezifischen Stile und Attribute: Ich bin einer von denen, ich fühle mich als einer von ihnen. Und während sich das kleine Kind tatsächlich mit dem indianischen Krieger oder der Squaw auf seine kindliche Art im positiven Sinne identifiziert, findet das bei diesen Leuten eher weniger statt: Ich habe lang genug im Ruhrpott gelebt, um zu wissen, daß nicht wenige von ihnen die Bayern, die mehrheitlich konservativ sind und so zuletzt eine Regierung mit Markus Söder und Hubert Aiwanger gewählt haben, den Rest des Jahres verächtlich machen, übel und primitiv über sie herziehen, nicht selten aus Arroganz oder Neid. Und was für Ruhrpottler gilt, gilt auch für alle anderen, die ähnlich weit weg aus der Republik kommen. Es ist aus meiner Sicht keine Hochachtung, das Tragen von Trachten wird zur Karrikatur, es ist tatsächlich Respektlosigkeit. Die Leute entblößen sich, merken es aber nicht einmal.