7. Oktober 2021
Oktober 202107

Polnisches Verfassungsgericht erklärt EU-Gesetze für unvereinbar mit Verfassung

Bravo, bravo, bravo! Das polnische Verfassungsgericht hat entschieden. Die Welt zitiert:

»Der Versuch des Europäischen Gerichtshofs, sich in das polnische Justizwesen einzumischen, verstößt gegen […] die Regel des Vorrangs der Verfassung und gegen die Regel, daß die Souveränität im Prozeß der europäischen Integration bewahrt bleibt«

Vielleicht motiviert das unser Bundesverfassungsgericht und es bringt vielleicht dann mal auch den Mut auf, ihre sehr ähnliche Entscheidung über den Vorrang unseres Grundgesetzes und ihres Gerichts vor den EU-Gesetzen und -Gericht mal durchzusetzen und nicht nur immer rote Linien zu ziehen.

Nachtrag: Die Welt hat auch noch einen Kommentar verfaßt, der das Urteil in den Kontext setzt. Die Leser beider Artikel sehen mehrheitlich (wie ich) das Urteil positiv. Sie kritisieren auch die Konnotation in beiden Artikeln, die die Nähe der Präsidentin des polnischen Verfassungsgerichts zur PIS-Partei und dessen Chef ins schlechte Licht rückt, mit dem von mir auch schon erwähnten Hinweis (an anderer Stelle), daß unser Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth seit 30 Jahren CDU-Mitglied ist und vor seiner Berufung Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag und enger Vertrauter von Angela Merkel war. Manche sagen ihm nach, daß er die Stelle als Dank bekommen habe, weil er auf Wunsch Merkels den Migrationspakt (Global Compact for Migration) in seiner Partei gegen alle Widerstände durchgedrückt habe. Auch der Politiker Peter Müller ist direkt vom Ministerpräsidenten zum Richter am Verfassungsgericht gewechselt – ein damaliges Novum mit nicht wenig Kritik daran. Beides ist mindestens(!) so anrüchig wie die Situation in Polen!

Auch möchte ich nochmal eine Fehlinformation aus dem Ursprungsartikel, der wohl zum größten Teil aus der Feder der DPA stammt (bei n-tv fast wortgleich erschienen) zurechtrücken. Dort wird behauptet, daß das Bundesverfassungsgericht den Vorrang nie grundsätzlich in Frage gestellt habe. Das stimmt so nicht. Zwar haben die Solange-I- und Solange-II-Urteile der EU großen Handlungsspielraum gegeben, allerdings hat das Maastricht-Urteil des BVerfG klar festgestellt, daß sich die EU nicht einfach beliebige Kompetenzen an sich ziehen kann, also keine »Kompetenz-Kompetenz« besitzt. Außerdem wurde festgestellt, daß die EU erhebliche Demokratie-Defizite besitzt und die nur dadurch tolerierbar seien, daß die Umsetzungen durch ein echt demokratisch legitimiertes Gremium – dem Bundestag – bestätigt werden. Ich schließe daraus, daß das Bundesverfassungsgericht unsere Verfassung als vorrangig sieht, auch wenn es vielleicht nicht so explizit gesagt hat. Andernfalls würde das keinen Sinn ergeben.

Nachtrag 2: Bis jetzt habe ich noch keinen Artikel gesehen, der sich mal etwas sachlicher mit der Position und der Argumentation des polnischen Verfassungsgerichts auseinandersetzt – was ich mangels juristischer Sachkenntnis hochinteressant fände –, stattdessen wird höchstens mit ähnlichem Schaum vor dem Mund reagiert wie Flinten-Uschi und der gesamte EU-Apparat. Kritische Presse, das war einmal. Die Leserschaft von Spiegel und Zeit sieht das übrigens ganz anders als die Welt-Leserschaft. Polen solle selber gehen oder die EU solle sie herausschmeißen. Häufig wird die Abhängigkeit und die direkte Wahl der Richter beschimpft, obwohl das bei uns genau so auch abläuft, wie ich oben schon ausgeführt habe. Einfach unglaublich, wie blind und hirnlos fremdgesteuert diese Leute sind. Nicht vorenthalten will ich einen Link zum Blog von Hadmut Danisch, der den Disput wie häufig kühl und knackig kommentiert.