1. Februar 2020
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Neiddebatte Tempolimit

Jede Äußerung einer Person oder einer Institution zum Thema Tempolimit, und sei sie auch noch so dämlich oder belanglos, wird von den Online-Medien genutzt, um darüber zu berichten. Besonders froh sind natürlich solche, die Online-Foren betreiben, denn dann geht es mal wieder so richtig rund. Das bringt Klicks, das bringt Werbeeinnahmen. Der Heise-Verlag, der zwar hauptsächlich auf IT ausgerichtet ist, aber auch ein Automagazin veröffentlicht, macht da gerne mit. Ich habe in den letzten Wochen immer in Diskussionen hereingeschaut, weil ich sehen wollte, wie so argumentiert wird. Ich mußte aber feststellen, daß mich das doch nicht unerheblich frustriert hat.

Eine wirkliche Diskussion findet dort nicht mehr statt. Speziell von den Tempolimit-Befürwortern werden Extrempositionen vertreten und Haß verbreitet. Jeder, der sich gegen ein Tempolimit ausspricht oder auch nur für ein höheres Tempolimit als 130 km/h, wird angefeindet wie AfD-Politiker von den Antifa-Terroristen und -Sympathisanten. Sie werden als Irre dargestellt, die grob fahrlässig über die Autobahnen rasen, auffahren, drängeln, rechts überholen und jedes Risiko in Kauf nehmen, dabei auf die anderen, »braven«, umweltschützenden Autofahrer wie die Befürworter keinerlei Rücksicht nehmend.

Das ist völlig überzogen, das ist nur noch blanker Haß. Ich selbst habe ein schnelles Auto, und wenn sich die Gelegenheit bietet und ich Lust dazu habe, dann fahre ich auch schneller und manchmal auch richtig schnell. Im Berufsverkehr schneller als 130 km/h, aber deutlich unter 200 km/h, auf Fernfahrten um 200 km/h und machmal bei drei Spuren und wenig Verkehr auch mal bis 250 km/h. Ich halte mich also viel auf der linken Spur auf und sehe auch was passiert. Natürlich gibt es unter den Schnellfahrern schlechtere Fahrer und auch Idioten – die gibt es jedoch bei den Langsamfahrern genauso. Und wenn es eine Korrelation zwischen präferierter Geschwindigkeit und schlechten Fahrerqualitäten geben sollte, dann sehe ich die eher bei den Langsamfahrern, weil hier einfach mehr unerfahrene (im wahrsten Sinne der Wortes…) und auch ängstliche Menschen darunter sind. Die beschleunigen nicht, bevor sie auf die nächste linke Spur wechseln, die können keine Geschwindigkeiten abschätzen, die drängeln sich in die noch so kleine Lücke herein. Man muß auch nur mal die Fahrerqualitäten jenseits der Autobahn beobachten. Wie oft wird nicht geblinkt, wie oft werden Straßenmarkierungen mißachtet und so weiter – das geht quer durch alle Fahrzeugklassen, Altersklassen und Geschlechter.

Jenseits der wenigen Idioten sind die Schnellfahrer aber im großen und ganzen meiner Meinung nach vorsichtige und auch vorausschauende Fahrer, schon allein im eigenen Interesse. Jeder, der nicht ganz blöd ist, weiß, daß bei höheren Geschwindigkeiten (und da gehören 130 km/h auch schon dazu) Unfallfolgen groß sind und die Wahrscheinlichkeiten, da völlig gesund wieder herauszukommen, eher gering sind. Und daher müssen sie sich konzentrieren, das Verhalten der anderen Fahrer abschätzen und prüfen.

Natürlich werden die Tempolimit-Gegner nicht nur wegen der Unfallgefahr übelst beschimpft, sondern auch wegen des CO₂-Ausstoßes – Stichwort Umweltsau. Das ist ja der aktuelle Aufhänger des schon lange schwelenden Streits. Interessanterweise wird der Aussage der Gegner, daß der zusätzliche Ausstoß der über-130-km/h-Fahrer nur lächerliche 0,5% des Gesamtausstoßes CO₂ des Straßenverkehrs ausmacht, nie sachlich widersprochen. Die einzige darauf folgende Argumentation ist dann, daß es auf die Menge, die eingespart werden würde, gar nicht so ankäme, Hauptsache, man würde einsparen. Das ist genauso absurd wie die Argumentation, Tempolimit müsse sein, auch wenn man nur einen Verkehrstoten weniger hätte (wo zudem die meisten Toten jenseits der Autobahnen zu beklagen sind). Das erinnert mich an die damalige Diskussion um die dramatischen Eingriffe ins Internet gegen die Verbreitung kinderpornographischer Bilder, bei der ja die Befürworter meinten, jede Aktion sei gerechtfertigt, wenn auch nur ein Kind vor dem Mißbrauch gerettet wäre (wobei selbst das noch nicht mal gewährleistet ist, weil die Verbreitung häufig eine Folge und nicht die Ursache des Mißbrauchs ist).

Unter Berücksichtigung dieser Beobachtung komme ich zum Schluß, daß den Tempolimit-Befürwortern echte Argumente im wesentlichen fehlen und ihre Motivation woanders steckt, und zwar im Neid. Nicht der positive Neid, der Menschen motiviert, anderen, die etwas erreicht haben, nachzueifern, sondern der böse Neid, der anderen nicht gönnt, was man selber nicht kann oder nicht will. Das wäre so, wenn ich als Reisemuffel anderen, die zweimal im Jahr möglichst weit weg in den Urlaub jetten wollen, das nicht gönne und daher verlange, daß jeder Deutsche daher nur noch ein Jahresbudget von 500 Flugkilometern bekommen sollte, natürlich schön unter dem Vorwand des Klimaschutzes. Das mache ich aber nicht. Sollen sie das machen. Und ich möchte halt auch mal schneller fahren als 130 km/h, wenn ich will und kann.

Die Tempolimit-Befürworter halten sich für besonders modern und aufgeschlossen. Ich denke aber, daß sie eigentlich nur die miese urdeutsche Traditionen der Mißgunst und der Übellaunigkeit aufrechterhalten, solche, die sie kurioserweise gerne den konservativen Mitbürgern attributieren.