22. Juni 2019
Juni 201922

Kommt die große Stille?

Wie schön muß es für die Mächtigen gewesen sein, als die Menschen mehrheitlich nicht lesen und schreiben konnten, die Drucktechniken noch nicht entwickelt waren, und die Entdeckung der Elektrizität und der Halbleiter, die die heutige private, weltweite Kommunikation möglich machen, noch lange auf sich warten ließ. Man mußte sich zwar mit seinesgleichen herumschlagen, aber nicht mit dem Volk, das man unterdrückte und ausbeutete. Ja, auch hier gab es hin und wieder lokale Aufstände, aber die hatte man meist relativ schnell im Griff.

Das hat sich arg gewandelt. Solche Zustände wie heute gab es noch nie. Nie zuvor war es für jedermann – zumindest prinzipiell – möglich, ohne große Kosten, ohne großen Aufwand, hunderte, tausende, gar Millionen Menschen zu erreichen.

Viele Technologien, viele Firmen haben das möglich gemacht, aber leider konzentriert sich das heute auf nur noch drei Firmen: Google mit YouTube, Facebook mit ihrem originären Dienst sowie Instagram und Whatsapp und Twitter. Gerade diese Konzentration hat zwar einerseits diese Möglichkeit zur Massenkommunikation befördert, ist aber andererseits auch gleichzeitig das größte Problem.

Die Menschen nutzen die heutigen Kommunikationsmöglichen nicht nur, um Kochrezepte und Katzenbilder auszutauschen und über Promi-Klatsch und -Tratsch zu reden, sondern diskutieren auch handfest über politische und gesellschaftliche Themen. Das geht so weit, daß mittlerweile »das Netz« eine gewichtige, wenn nicht sogar die größte Quelle zur Meinungsbildung geworden ist.

Langsam setzt sich diese Erkenntnis auch bei den tranigen Politikern, bei denen das Internet noch als Neuland gilt, durch. So kommt auch die jüngste Studie der Landesmedienanstalten zu diesem Schluß.

Und seitdem die Politiker es wissen, ist es ihnen ein Dorn im Auge. Es kann ja nicht angehen, daß sie nicht mehr die Meinungshoheit besitzen. Mit viel Anstrengungen über Jahrzehnte hinweg haben sie die Zeitungen und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die sie dafür mit Milliarden aus unserem Geldbeutel subventionieren, gefügig gemacht, und jetzt kommt das Internet daher. Das geht so nicht.

Problematisch für die Politik war, daß die Unternehmen amerikanische sind und in den USA eine sehr liberale Interpretation der Meinungsfreiheit existierte. Jedes Land war auf sich alleine gestellt und hatte kaum Chancen, auf Gesetzesebene vorzugehen, schließlich hatten die Firmen häufig nicht einmal eine Niederlassung in dem Land. Hier hat sich aber in den letzten Jahren einiges geändert. Die EU-Länder haben ihre Bestrebungen gebündelt und agieren nicht mehr einzeln, sondern gemeinsam von der EU aus. Länderspezifische Zensurgesetzgebungen, wie das »Netzdurchsetzungsgesetz« (NetzDG) von Heiko Maas (SPD) tun ihr übriges. Mit dem Aufbauschen einer »rechten Gefahr« und der völlig willkürlichen Klassifizierung ungewünschter Kritik als juristisch nicht greifbaren »Haß« rechtfertigen sie dabei ihr Tun und bauen Druck auf, nicht nur gegen die Bürger, sondern auch gegen die Unternehmen. Dadurch besteht für die drei Technologiekonzerne plötzlich tatsächlich die Gefahr, daß hier große Teile des Umsatzes und Gewinns wegbrechen und sie ihre Marktführerschaft in den Ländern verlieren. Außerdem sind sie durch das Einknicken in totalitären Staaten wie China schon verletzlich geworden – die »Broken Windows«-Theorie in einer interessanten Adaption.

Hinzu kommt, daß sich auch die Situation in den USA geändert hat. Wie in Europa hat in den USA die politische Linke, auch durch die Propaganda in den Medien, es geschafft, ihre Ideologie in Teilen der Bevölkerung, gerade bei den jungen Menschen, einzupflanzen. Der Schock, daß dennoch nach dem gottgleichen Demokraten Obama der Teufel Trump zum Präsidenten gewählt wurde, sitzt noch immer tief und hat die Bemühungen um die linke Meinungshoheit noch verschärft. Da kommt es sehr entgegen, daß die Konzerne selbst von jungen, linken Gutmenschen durchdrungen sind und auch große Teile der Kunden aus eben diesem Spektrum bestehen. Der Widerstand gegen Zensurmaßnahmen, die hauptsächlich konservative, auf der nicht-linken Seite des politischen Spektrums befindliche Personen treffen, ist anscheinend eher gering.

Mit diesem Hintergrund kam jetzt für Insider die jüngste Ankündigung von YouTube nicht völlig überraschend, auch wenn die Eindeutigkeit der Zensurabsicht und der Umfang dann doch wieder überrascht hat.

Zum 22. Juli 2019 soll sich so einiges ändern. Die Nutzungsbedingungen hatten ja bisher schon verboten, sich über gewisse Personengruppen verächtlich zu äußern. Zu den bisherigen Attributen dieser Gruppen wie sexuelle Orientierung oder Religion kommt ein neuer hinzu: Der Aufenthaltsstatus in einem Land, also z.B. Asylanten, Geduldete, Abschiebepflichtige. Hier will man offenbar die Diskussion über die Migration sowohl in den USA als auch in Europa trockenlegen. Sind das schon Auswirkungen des Ziels 17 des globalen Migrationspaktes (»eliminate all forms of discrimination and promote evidence-based public discourse to shape perceptions of migration«)?

Zudem hat YouTube angekündigt, hunderttausende Videos zu löschen oder zu demonetarisieren (d.h. die Nutzer werden nicht mehr an den Einnahmen der Werbeeinblendungen beteiligt) oder Nutzeraccounts komplett zu löschen. YouTube probiert das auch schon jetzt an ausgewählten, bekannten Nutzern aus. Es sind mehrere Fälle bekannt, unter anderem der eines deutsch-ägyptischen Islamkritikers. Man will wohl Angst schüren und die Schere in den Köpfen der Nutzer aktivieren.

Und das Schüren der Angst funktioniert tatsächlich. Viele nicht-linke, kritische YouTube-Nutzer fragen sich, ob es sie auch treffen wird, speziell, wenn sie sich von Google abhängig gemacht haben, sprich, sie ihren Lebensunterhalt mit den Werbeeinnahmen und auch über Spenden in Zusammenhang mit ihren Videobeiträgen finanzieren. Eine weitere Angst ist die, daß sich das zu einer konzertierten Aktion der drei Technlogiekonzerne weiterentwickeln könnte, sie also internet-mäßig mundtot gemacht werden könnten.

Statt jedoch klein beizugeben, formen sich daraus Aktionen. Der bekannte Kritiker Jordan Peterson ist zusammen mit anderen im Begriff, eine neue Medienplattform zu entwickeln. Auch in Deutschland haben sich mehrere YouTuber zusammengeschlossen, um Alternativen aufzubauen, oder parallel auf anderen, bislang eher unbekannten Plattformen zu publizieren. Dies stößt allerdings auch auf Kritik aus eigenen Reihen. Man sorgt sich um die Reichweite und speziell um (von mir jetzt so genannten) »Impuls«-Seher, also Leuten, die per Zufall (oder, besser gesagt, durch den YouTube-Vorschlagsmechanismus) auf ihren Kanälen landen und mehr aus Neugier in das Video hereinschauen. Diese Leute seien sehr wichtig für die Reichweitenerhöhung. Die bereits von der eigenen Meinung überzeugten Seher würden auch zu anderen, eher unbekannten Plattformen finden, aber man wolle ja neue überzeugen, und das ginge halt nur mit einer breiten Öffentlichkeit, wie sie bei YouTube, Facebook und Twitter herrscht, und auch nur zusammen mit entsprechenden Vorschlägen dieser Plattformen funktioniert (eine mittlerweile nachgewiesene Praktik der Plattformen ist ja, unliebsame Nutzer von anderen fernzuhalten, aber so, daß sie es selber nicht merken).

Ich finde die Kritik zwar berechtigt und es richtig, die Zensur nicht einfach stillschweigend hinzunehmen, aber auf der anderen Seite halte ich das für absolut notwendig, weitere Standbeine aufzubauen, um sich noch Gehör zu verschaffen und die linke Meinungsdiktatur zu verhindern. Außerdem fände ich wichtig, ein Urziel des Internets, das der Dezentralisierung, der Widerstandskraft gegen partielle Ausfälle (auch wenn sie hier nicht technisch/militärisch, sondern abstrakt wie die Meinungsfreiheit sind), wieder aufzunehmen und zu fördern. Unter anderem betreibe ich auch deshalb meinen Blog selbst und nicht bei einem Blog-Dienstleister.