19. März 2019
März 201919

Dysteuropäische Union: Das Auto im Wandel vom Symbol der Freiheit zum Symbol der Überwachung

Es gibt Leute, für die ist das Auto eine pure Quälerei. Sie steigen mit Angst ein, Angst begleitet sie die ganze Fahrt und Angst prägt auch ihren Fahrstil.

Ich gebe unumwunden zu, bei mir ist es ein Vergnügen. Ich liebe die Dynamik des Fahrens, das Beschleunigen, das Ausfahren von Kurven, das vorausschauende Fahren, welches unnötiges Bremsen und hektisches Lenken zu vermeiden sucht. Da ist auch das Gefühl des Dirigierens, damit aber auch verbunden das Bewußtsein der Verantwortung, Schaden von sich und anderen abzuwenden und das Prinzip von Leben und Leben lassen, das der Gleichberechtigung. So habe ich mir abgewöhnt, als Oberlehrer aufzutreten, wenn ich mit der Fahrweise der anderen nicht einverstanden bin. Gut, ich mache mir keine Mühe, einen Raser, der weit jenseits der Geschwindigkeitsbegrenzung fahren will, schnell vorbeizulassen, aber ich lasse ihn vorbei.

Daneben ist für mich das Auto ein Symbol der Freiheit, eine Manifestierung des Grundrechts auf Bewegungsfreiheit. Ich kann, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen, ohne auf die Verfügbarkeit von Diensten Dritter wie Taxis, Busse, Bahnen, Flugzeuge – die womöglich noch unter der Kontrolle des Staates sind – angewiesen zu sein, jeden Ort erreichen, den ich will, und das zu jeder Zeit, ob mitten am Tag oder in der Nacht, ob an einem Werk- oder Feiertag. Und zu dieser Freiheit gehört auch, daß niemand weiß, ob und wie ich von ihr Gebrauch mache – kein Ticketverkauf, keine Vereinzelungs- und Passierschranke, keine Ein- und Auscheck-Automaten für RFID-Token und NFC-Kommunikation mit dem Mobiltelefon oder deren virtuelle Umsetzung auf dem Telefon in Verbindung mit GPS, keine Kameras, die Spuren hinterlassen.

Peu à peu – die Gegenwart

Dieser Spaß am Fahren und die Freiheit könnten, nein, werden bald Geschichte sein. Nicht nur von Seiten der EU - worauf ich gleich komme –, sondern natürlich auch von ihr unabhängig von Seiten Deutschlands.

Hier sind einerseits die permanenten und mobilen KFZ-Kennzeichen-Scanner zu nennen. Sie sollen zur Fahndung ausgeschriebene Fahrzeuge erkennen, sowie – diese Tage beschlossen – Dieselfahrer, die das »Kapitalverbrechen« begehen, mit ihren Fahrzeugen in Dieselverbotszonen einzufahren, und in Zukunft auch zur Einhaltung der Autobahnmaut genutzt werden. Sie sind auch die Basis des sogenannten »Section Control«, das die bekannte punktförmige Geschwindigkeitsüberwachung durch Blitzer auf Streckenabschnitte ausdehnt – ein kleiner Vorgeschmack zur permanenten Überwachung. Nebenbei zeichnen sie aber auch, wie wir im Zusammenhang mit einem vermuteten Verbrechen an einem jungen Mädchen erfahren mußten, zumindest teilweise alle Kennzeichen mit Uhrzeit über einen längeren Zeitraum auf, was eindeutig grundrechtswidrig ist.

Ein weiterer Punkt ist die Diskussion um das Ende der unbegrenzten Geschwindigkeit, die sowieso schon immer nur auf wenigen Prozent des Straßennetzes galt und in den letzten Jahrzehnten immer weiter eingeschränkt wurde. Faktisch kann sie auch durch den katastrophalen Zustand der Straßen mit hunderten Kilometern Baustellen und semipermanenten Beschränkungen sowie durch das hohe Verkehrsaufkommen oft nicht mehr ausgelebt werden.

Nun zur EU: Sie plant, das Auto zwangsweise mit »Assistenten« vollzustopfen. Ich schreibe das absichtlich in Anführungszeichen, weil dieser Begriff meiner Meinung nach schon euphemistisch gebraucht wird. Denn gegen Assistenten hat man ja erstmal nichts, auch ich nicht. Neben dem heute standardmäßigen Antiblockiersystem und der Antischlupfregelung lasse ich mich in meinem Auto von einem Toten-Winkel-Warner unterstützen, der optisch warnt, wenn sich auf der linken oder rechten Spur Fahrzeuge mit höherer Geschwindigkeit nähern. Hat mich tatsächlich schon ein paarmal vor Fehlern bewahrt. Diese Systeme sind entweder rein passiv oder greifen nur in Notsituationen ein.

Selbst das von der EU aufgezwungene eCall-Rettungssystem könnte man noch in diese Kategorie einordnen, sofern es tatsächlich nur das macht, was versprochen wird. Aber es fängt halt bei diesem System schon an, denn es hat Überwachungspotential. Es besitzt ein GPS-Modul, das laufend die Position bestimmt, es besitzt ein Mobiltelefon-Modul, von dem man nicht weiß, ob und wie es sich ins Netz einloggt und damit verfolgbar wird und von außen Überwachungsbefehle annehmen kann, es besitzt ein Mikrofon, das den Innenraum abhören kann, es weiß, wieviele Personen sich im Auto befinden. Zudem dürfen Hersteller das mit eigenen Online-Systemen kombinieren, und bei manchen Herstellern wie z.B. BMW kann man das gar nicht mehr abbestellen. Es gibt ja in USA einen Fall, wo so ein System »per Zufall« ein Drogendealer-Geschäft, welches im Auto ausgehandelt wurde, übertragen und aufgezeichnet wurde. Polizei und Staatsanwaltschaften hatten behauptet, ein Insasse habe wohl »aus Versehen« das System ausgelöst, und sind offenbar beim Gericht damit durchgekommen. Tatsächlich war aber der Halter schon unter Beobachtung der Polizei, deshalb ist es »nicht auszuschließen«, daß hier (illegal) nachgeholfen wurde.

Peu à peu – die Zukunft

Die neuen Systeme, die uns die EU bereits in den nächsten drei Jahren (2022) aufzwingen will, stellen das aber locker in den Schatten, alles unter dem Vorwand, Unfälle und speziell Todesopfer zu verhindern. Da werden immer phantastische Zahlen genannt, aber die werden vermutlich genauso statistisch hergezaubert wie die Toten durch Stickoxide.

Spur- und Bremsassistenten

Die noch harmloseren Systeme sind Spur- und City-Bremssysteme. Ersteres greift in die Lenkung ein und gibt überwindbaren Widerstand gegen die Lenkbewegung des Fahrers. In der teuren Fahrzeugklasse kann man sogar die Hände vom Lenkrad nehmen. Das zweite System soll Auffahrunfälle in der Stadt sowie Unfälle mit Fußgängern (Triggerwort Kinder!), die plötzlich auf die Straße treten, verhindern. Es tritt also für den Fahrer auf die Bremse. Zumindest die heute verfügbaren, für LKW und Busse vorgeschriebenen Bremsassistenten greifen aber nicht selten unvermittelt und unbegründet ein, und zwar so sehr, daß die Fahrer teilweise frustiert das System abschalten. Man kennt das ja selber, wenn man versucht, den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand tatsächlich einzuhalten – permanent scheren Autos ein und machen diesen kaputt; man ist am Ende der Dumme.

Alkotester

Weiter geht es mit einem zwangseingebauten Alkotester, der die Nutzung des Autos durch einen alkoholisierten Fahrer verhindern soll. Dies ist also ein erster Schritt der Entmündigung. Wie genau das funktionieren soll, stand in dem Artikel nicht drin. Existierende Systeme auf Basis der Atemluft sperren aber wohl auch schon, wenn der Alkohol aus der Scheibenwaschanlage stammt.

Blackbox

Das nächste Gerät, das zwangseingebaut werden soll, ist eine Blackbox, die alle Fahrparameter aufzeichnen soll und die im Falle eines Unfalls dann ausgelesen werden kann. Ich vermute mal, der Fahrer wird rechtlich keine Möglichkeit besitzen, dies zu verhindern. Das Auto wendet sich so gegen seinen Besitzer, Zeuge der Anklage. Aussageverweigerungsrecht des Beklagten? Scheißegal. Interessant wird es dann auch, ob die Blackbox auch bei reinen Routinekontrollen der Polizei ausgelesen werden darf. Ich weiß nur, daß schon in den 80er Jahren, als ich bei der Bundeswehr meinen LKW-Führerschein gemacht hatte, die Polizei anhand der Tachoscheiben zurückliegende Geschwindigkeitsüberschreitungen ahnden konnte, auch wenn sie es selber gar nicht gemessen hatte. Das ist heute bei den elektronischen Fahrtenschreibern bestimmt auch noch so, und ich würde fast wetten, daß das für PKW dann früher oder später genauso gehandhabt werden wird (wenn es nicht durch andere Techniken überflüssig wird).

Intelligent Speed Assistance

Es kommt aber dicker; das folgende empfinde ich als den stärksten Eingriff: die »Intelligent Speed Assistance«. Der Begriff »Assistance« ist hier allerdings ein Euphemismus, denn es geht nicht um Assistenz, sondern schlichtweg um Bevormundung. Anhand von Kartenmaterial, GPS-Koordinaten und Schildererkennung greift dieses System aktiv in die Geschwindigkeitsregelung ein. Es führt zwar keinen Bremsvorgang durch, aber es reduziert die Leistung des Motors bei der Annäherung an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit bzw. nach einer Reduzierung ebendieser. So bleibt man quasi bei dieser Geschwindigkeit hängen. Zwar soll es die Möglichkeit geben, die Steuerung zu überstimmen (z.B. durch einen Kick-Down), um Überholvorgänge abzuschließen oder in Notsituationen, aber nicht ohne Gebimmel und natürlich nicht ohne Aufzeichnung der oben genannten Blackbox. Ich halte das für eine riesengroße Sauerei. Auch wenn ich mich im allgemeinen an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halte (ich habe mal überschlagen, daß ich bislang etwa alle 100.000km ein Ticket bekommen habe), will ich mir von einem Automaten nicht vorschreiben lassen, wie schnell ich fahre. Ich will mich nicht zum Sklaven der Maschine machen lassen. Außerdem stempelt so eine Steuerung jeden Fahrer als uneinsichtigen, verantwortungslosen Raser ab, ähnlich, wie die Vorratsdatenspeicherung implizit jeden als Kriminellen abstempelt.

Car-to-X-Kommunikation

Das war aber noch nicht alles. Die nächste Technologie, mit der wir zwangsbeglückt werden sollen, ist die Car-to-Car- (C2C) beziehungsweise die Infrastructure-to-Car (I2C)-Kommunikation. Die Idee dahinter ist, daß die Fahrzeuge in der Umgebung miteinander und mit festinstallierten Geräten, z.B. Ampeln oder dynamischen Geschwindigkeitsanzeigern kommunizieren. Insbesonders der Austausch von Gefahreninformationen, z.B. liegengebliebene Autos, Notbremsungen, von anderen Autos festgestellter Nebel, Traktionsproblemen, herannahenden Notfallfahrzeugen und ähnlichem sowie von Geschwindigkeitsgrenzen oder -empfehlungen (für die »Grüne Welle«) sollen übermittelt werden.

Für sich alleine betrachtet mag das ja im ersten Augenblick für sinnvoll erscheinen. Aber die Probleme sind vielfältig. Rein technisch steht das System vor dem Problem, daß jemand absichtlich falsche Meldungen senden könnte, z.B. um Unheil oder einfach nur Chaos zu verbreiten. Um das zu verhindern, will man sich der Kryptographie bedienen und diese Meldungen digital signieren. Hier ergibt sich allerdings ein Problem: Ähnlich wie im realen Leben eine Unterschrift unter einem Vertrag nichts wert ist, wenn man nicht weiß, wer es unterschrieben hat, hilft es nicht, wenn man bei einer digitalen Unterschrift den Unterschreiber nicht kennt. So bedient man sich beglaubigten Identitäten, es werden sogenannte Zertifikate ausgestellt (für Techniker: Standard-X.509-Public Key-Infrastruktur). Damit fällt aber die digitale Anonymität (in der realen Welt existiert sie ja durch die KFZ-Kennzeichen bereits nicht).

Um das Problem abzumildern, hat sich die EU ausgedacht, Pseudonyme zu vergeben, die offenbar eine Lebensdauer von einer Woche besitzen sollen, statt eindeutige Fahrzeugkennungen zu verwenden. Teilnehmende Autos und Infrastruktur sollen also so nicht über längere Zeiträume andere Autos verfolgen können. Lokal gesehen trifft das auch zu, wenngleich ich eine Woche für sehr lange halte. Im Gesamtkontext hilft das allerdings wenig. Auch wenn die Ausstellung der Zertifikate offenbar nicht zentral erfolgt, müßte man schon sehr, sehr naiv sein und die letzten 40 Jahre geschlafen haben, wenn man glaubt, daß alle Daten für die Ausstellung nicht jahrelang gespeichert werden und nicht für den Staatsapparat verfügbar gemacht werden können. Spätestens durch einen Gerichtsbeschluß wird das gehen, vermutlich aber schon viel einfacher. Man wird also keine Kameras mehr aufstellen müssen, man kann die Technik völlig unsichtbar in Ampeln, Kästen oder auch in Straßenlaternen einbauen, und schon erhält man eine neue Vorratsdatenspeicherung.

Auch in einer möglichen Verknüpfung mit der oben erwähnten Geschwindigkeitsüberwachung sehe ich ein Problem. Die Polizei könnte früher oder später auf die Idee kommen, alle Fahrzeuge in der Umgebung stillegen zu wollen, z.B. um eine Verfolgungsjagd zu beenden. Das ginge schon ohne spezielle Befehle, die es in dem Protokoll-Entwurf (nach erstem Augenschein) nicht gibt. Dazu bräuchte sie bloß eine Mitteilung der Höchstgeschwindigkeit von 0 oder 1 km/h an alle Fahrzeuge generieren. Voilà! Man kann das noch weiter spinnen: Demonstrationen gegen staatliche Akteure? Kein Problem: Öffentliche Verkehrsmittel einstellen, weiträumig Autos stillegen. Den Rest erledigt man dann locker mit Tränengas und Wasserwerfern…

Fazit

Die Pläne der Politik und der Industrie sind maßlos. Von ihnen wird eine Menge Technik zwangsverordnet, nicht, weil die Technik sinnvoll und verhältnismäßig ist und wirkliche Probleme adressiert, sondern weil sie es können. Es wird uns der Spaß und die Freiheit genommen, wir werden überwacht und bevormundet: Der Fahrer wird zum Befehlsempfänger der Maschine degradiert. Wenn er das nicht tut, wird das aufgezeichnet und gegen ihn verwendet, früher oder später. Einige wenige Autofahrer können sich nicht beherrschen, fahren besoffen, zu schnell, zu abgelenkt, und das wird als Vorwand genutzt. Danke für nichts. Und das Perverse ist: Der Autofahrer muß auch alles noch selber bezahlen.

Wenn das alles so kommt, und ich gehe sehr stark davon aus, werde ich ganz klar ein Downsizing betreiben. Ich werde mir kein schnelles, teures Auto mehr kaufen, sondern das kleinstmögliche, das auch nicht in Europa gebaut wurde. Und ich werde mich bei allen Mitmenschen, die diesen Scheiß mittragen, revanchieren, indem ich dann überall 10km/h langsamer als erlaubt fahre, inklusive auf der linken Spur der dreispurgen Autobahn…

Quellen