22. Juni 2017
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Die wahren Feinde der Demokratie sitzen im Bundestag

Heute hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das in zweierlei Hinsicht ein Skandal ist und zeigt, wie weit sich die Damen und Herren Abgeordneten, Minister und Kanzler von CDU, CSU und SPD von der Demokratie, die sich in unserem Grundgesetz manifestiert, entfernt haben. Man kann sagen, sie treten das Grundgesetz mit den Füßen.

Zum einen geht es um das Gesetz selbst. Der Bundestrojaner, also staatliche Spionage-Software, die durch Täuschung, bei der »Inspektion« am Flughafen, aber auch durch Ausnutzen geheimer Sicherheitslücken auf die Geräte der Bürger gebracht werden, darf nach Willen der Mehrheit des Bundestages nun auch für weniger schwere Straftaten eingesetzt werden und unter gewissen Umständen reicht auch schon ein Verdacht. Betroffen sind also nicht nur Terroristen, Mörder und andere Schwerverbrecher, nein, auch Sie und ich können Ziel eines Trojaners werden.

Man könnte der Auffassung sein, der Bundestag hätte das Recht, so ein Gesetz zu verabschieden. Das Problem ist nur, daß das Bundesverfassungsgericht schon mal darüber geurteilt hat und damals festgestellt hat, daß der Trojaner nur unter sehr engen Grenzen eingesetzt werden darf. Alle juristischen Experten und Bürgerrechtsorganisationen sind der Ansicht, daß diese Grenzen deutlich überschritten sind, also daß das neue Gesetz mit dem Grundgesetz in mehrfacher Hinsicht nicht vereinbar ist (siehe Link unten zu Netzpolitik). Und Urteile des Bundesverfassungsgerichts werden natürlich nicht durch neue Gesetze aufgehoben, allein das Gericht kann in späteren Urteilen seine Meinung revidieren. Die (mir etwas suspekte) »Gesellschaft für Freiheitsrechte« hat bereits angekündigt, Verfassungsklage einzureichen. Ich hoffe, weitere kommen noch hinzu.

Der zweite Punkt betrifft die Art und Weise, wie dieses Gesetz zustande kam. Die Bundesregierung hat hier etwas neues ausprobiert, nur ist das nicht im Sinne der Demokratie. Gesetze in Deutschland durchlaufen drei Lesungen im Bundestag, bevor sie dann letztendlich mit einer einfachen Mehrheit verabschiedet werden (bzw. 2/3-Mehrheit bei Grundgesetzänderungen). Dabei gibt es Möglichkeiten, über das Gesetz zu diskutieren, und auch Bürger und Presse erfahren so von den Vorhaben und können – wenn auch im geringen Maße – über den öffentlichen Druck Einfluß nehmen.

Wohl wissend um die Brisanz und Illegalität des Gesetzes wollte die Merkel-Regierung offenbar darauf verzichten, und hat einen Trick angewendet, dessen Prinzip aus den USA kommt: Man versteckt ein Gesetz in einem anderen. In den USA ist einerseits dieser Trick namens »Rider« wohlbekannt und andererseits wird dieses Huckepack-Verfahren auch gleich zu Beginn und hochoffiziell aus taktischen Gründen gemacht. Nicht so die Bundesregierung. Klammheimlich sollte der Bundestrojaner in ein Gesetz zur Verbesserung der Strafprozeßordnung eingefügt werden. Tatsächlich ist das auch erst am Dienstag, also zwei Tage vor der Verabschiedung – bei einem über Monate gehenden Gesetzgebungsverfahren – von dem Justizausschuß eingefügt worden. Ich wiederhole nochmal: zwei Tage!

Dieser Trick hatte auch den »Vorteil«, daß, falls die übliche Expertenanhörung überhaupt stattgefunden hat, der Bundestrojaner nicht Gegenstand war. Kritik an der Trojanererlaubnis war von dort also gar nicht möglich. Selbst die Bundesdatenschutzbeauftragte, die auch üblicherweise zu solchen Gesetzen eine Stellungnahme abgibt, wußte absolut nichts. Und auf den Webseiten des Bundestages zur heutigen Tagesordnung war zum Zeitpunkt der Abstimmung noch der alte Gesetzesentwurf vom Februar verlinkt. Nur irgendwo tief im System konnte man etwas finden.

Der Entwurf kursierte – nur unter den Abgeordneten der Koalition, versteht sich – allerdings schon länger. Er wurde von der Bundesregierung als Formulierungshilfe deklariert, wohl in der Hoffnung, daß es nicht sofort auffällt, worum es tatsächlich geht. Das ist auch – im Sinne der Groko – eine Weile gutgegangen, jedoch ist das Papier dann doch durchgesickert und an die Öffentlichkeit gekommen.

Diese schäbige Trickserei ist eine eklatante Mißachtung der demokratischen Gepflogenheiten. Es wurde versucht, die Opposition und die Bürger vollumfänglich zu täuschen. Für mich gehören alle Beteiligten dieses Betrugs, angefangen von Merkel bis zu den Parteispitzen von CDU, CSU und SPD, achtkantig herausgeschmissen. Irgendwo habe ich gelesen, daß auch hier wohl das Bundesverfassungsgericht bemüht wird. Hoffentlich bekommt es dieses Mal seinen Hintern hoch – nicht so, wie bei der Vorratsdatenspeicherung, bei der zufälligerweise heute das OLG Münster eine einstweilige Verfügung gegen die Umsetzung der VDS wegen des EuGH-Urteils hinbekommen hat – im Gegensatz zu den hochnäsigen Richterinnen und Richtern vom Bundesverfassungsgericht.

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