27. März 2021
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Abschaffung der deutschen Demokratie

Ich will es nochmal in Erinnerung bringen: Seit einigen Jahrzehnten ist ein nicht ausgesprochenes Ziel der regierenden Parteien, sich selbst inhaltlich abzuschaffen. Schließlich ist es doch schön, viel Geld zu bekommen, aber schlußendlich für nichts verantwortlich zu sein. Durch die immer größere Kompetenzübertragung an die EU wird der Handlungsspielraum des Bundestages, dem Kernstück der repräsentativen Demokratie, immer weiter eingeschränkt. Irgendwo hieß es, daß mittlerweile 50% aller Bundestagsentscheidungen nur noch die nationale Umsetzung von EU-Beschlüssen sei.

Jetzt ist am letzten Donnerstag (25.3.) vom Bundestag ein weiterer Schritt zu Aushebelung der Demokratie beschlossen worden. Und die Medien hatten offensichtlich entschieden, nicht darüber zu berichten.

Es ging wieder einmal um das Durchwinken eines Beschlusses der EU, nämlich des sogenannten Corona-Rettungspakets der EU in Höhe von 750 Milliarden Euro.

Zwar wurde in den Medien eine Zeitlang das Paket durchaus kontrovers diskutiert, aber nicht wirklich die Implikationen auf unsere Demokratie. Das Problem ist, daß ein Bundestag nichts beschließen darf, was zukünftige Bundestage und Regierungen wesentlich in ihrer Handlungsfähigkeit einschränkt. Jeder Bundestag muß Herr der Geschicke bleiben. Das wurde durch frühere Verfassungsklagen, auch wenn sie zum Teil verloren wurden, als Nebenergebnis des Bundesverfassungsgerichts festgestellt. Die ganze Souveränitätsübertragung an die EU funktioniert nur, da der Bundestag (noch) jederzeit die Möglichkeit hat, den Austritt aus der EU zu beschließen und das Zepter wieder in die eigene Hand zu nehmen.

Und in diesem Aspekt liegt die Crux: Dieses Rettungspaket wird von den EU-Mitgliedsstaaten finanziert. Die Höhe bemißt sich an den Beitragssätzen, zudem kann die EU die Tilgung auf die anderen Staaten verteilen, sollte ein Staat erklären, seinen Teil nicht mehr bezahlen zu können. Und man geht davon aus, daß das auch passieren wird: Griechenland, Italien, Spanien oder gar Frankreich sind die Kandidaten, die hier genannt werden.

Da Deutschland der größte Beitragszahler ist, trifft ihn sowieso die höchste Last, aber im Falle eines Ausfalls kann durch EU-Beschluß diese Last noch höher werden. Und die Laufzeit dieses Pakets beträgt 40 Jahre(!). Das heißt, die nächsten zehn Legislaturperioden sind an dieses Rettungspaket gebunden. Sie (bzw. wir Steuerzahler) müssen das zahlen, können aber aus diesem Vertrag nicht aussteigen. Da die Gestaltung des Finanzhaushalts des Staates das Königsrecht des Parlaments ist, wird also hier massiv in die Rechte der zukünftigen Abgeordneten eingegriffen.

Die Bundesregierung bezeichnet dieses Rettungspaket als einmalig und zeitlich begrenzt und zielt damit auf eine Ausnahmeregelung, die das Verfassungsgericht für den ESM getroffen hatte. Es darf aber bezweifelt werden, daß 40 Jahre eine zeitliche Begrenzung im Sinne des Gerichts ist. Außerdem waren die Auszahlungen der Gelder damals an Auflagen gebunden, was bei diesem Rettungspaket nicht der Fall ist. Die Höhe der Auszahlungen richtet sich zudem gar nicht daran, wie groß der Schaden der Corona-Krise in den einzelnen Ländern ist, sondern einzig und allein an der Wirtschaftsleistung der Länder vor der Krise. Das als Corona-Rettungspaket zu bezeichnen und das mit dem ESM für die ebenfalls schon von Gegnern als illegal betrachtete Griechenland-Euro-Rettung zu vergleichen, hat schon einen Grad der Dreistigkeit.

Daneben wird gegen das Rettungspaket auch die Verletzung der EU-Verträge vorgebracht. Zum einen gibt es die No-Bailout-Regel, das heißt, die EU darf die Schulden von Mitgliedsstaaten nicht übernehmen. Auch darf sie selber keine Schulden aufnehmen. Angeblich auf Merkels Mist gewachsen, hat die EU eine Sprachregelung gefunden, daß dieses Rettungspaket gar nicht Teil des EU-Haushaltes wäre, obwohl die EU neben der obigen Tilgung durch die Mitgliedsstaaten einen Teil davon durch eigene Steuern querfinanzieren möchte. Das wird natürlich von den Gegnern auch stark bezweifelt.

Das alles hat übrigens die AfD in einer Pressekonferenz am Donnerstag morgen anläßlich der späteren am Tag geplanten und dann durchgeführten Abstimmung erklärt. Sie hatte zudem erklärt, daß sie am gestrigen Freitag eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung einreichen wolle. All das hielt die ach so objektive und investigative Medienlandschaft aus Presse und öffentlich-rechtlichem Rundfunk für nicht erwähnenswert. Man hätte wohl in ein paar Tagen, wenn der Bundespräsident das Gesetz unterschrieben hätte, den Beschluß als Randnotiz erwähnt, wie wenn eine Kindertagesstätte in Hintertupfingen einen neuen Sandkasten gespendet bekommen hätte.

Man hat auch nicht erfahren, daß neben der AfD auch eine andere Gruppe um Bernd Lucke, dem Gründer und nun Ex-Mitglied der AfD, ebenfalls eine Klage mit einstweiliger Verfügung eingereicht hatte, und dabei ein bißchen schneller war als die AfD. (Außer, daß dadurch der AfD der PR-Coup entgangen ist, ist das kein Problem: Je mehr Argumente vor Gericht vorgebracht werden, desto größer ist die Chance, daß eins vom Gericht anerkannt wird.)

Allein der Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht die Klage angenommen hat und erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik den Bundespräsidenten nicht nur gebeten hat, das Gesetz (das im Eilverfahren am Freitag auch noch vom Bundesrat abgesegnet worden war) nicht zu unterzeichnen, sondern ihm das offiziell untersagt hat, zumindest, bis sie über die einstweilige Verfügung entschieden hätten, führte dazu, daß gestern abend überhaupt davon berichtet wurde!

Natürlich wurde das in den Hauptkanälen des ÖR in der üblichen Desinformationsweise gemacht (der Vollständigkeit halber muß ich erwähnen, daß die Pressekonferenz der AfD bei Phoenix übertragen worden war). Ein extra zugeschalteter »Fachjournalist« im ZDF sagte zwar, daß es Gründe gegen dieses Paket gäbe, aber welche das wären, das wurde dem Zuschauer natürlich vorenthalten. Ein Teil dieser Informationen könnte wohl die Bevölkerung verunsichern… (frei nach dem früheren Innenminister de Maizière). Auch wurde die zweite Klage der AfD natürlich nicht erwähnt, gemäß dem Mantra, die AfD aus der öffentlichen Diskussion verschwinden zu lassen. Das wäre vermutlich nun doch zu objektiv gewesen…

Hintergrundinformationen auch in einem Artikel und einem Kommentar bei der Welt oder bei Tichys Einblick (erster, zweiter Artikel).