28. Juni 2017
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Social-Media-Zensur: Der nächste Anschlag auf die Bürgerrechte

Erst einmal ein paar positivere Nachrichten:

NetzDG

Kommen wir nun zu dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz – wieder mal so eine verschleiernde Gesetzesbezeichnung, damit bei der Berichterstattung innerhalb der Propagandaschau von ARD und ZDF der Zuschauer bloß nicht aus seinem politischen Delirium gerissen wird.

Bei einer Expertenanhörung vor einer guten Woche wurde das Gesetz in der Luft zerrissen. Die Mehrheit der Experten hält es für verfassungswidrig. Da sich die Parteien typischerweise »gewogene« Experten einladen, ist das schon ein Schlag ins Gesicht. Einen Moment lang lag die Hoffnung in der Luft, das Gesetz könnte noch platzen (Heise, Netzpolitik, Spiegel). Nicht aber mit den Betonköpfen der CDU, CSU und SPD. Letztere will angeblich das Gesetz unbedingt durchbringen, weil Heiko Maas ein Erfolgserlebnis bräuchte. Wie sollte das »Erfolgserlebnis« bei der massiven Ablehnung in der Zivilgesellschaft denn bitteschön aussehen? Weitere 2% Verlust oder mehr für die SPD bei den Umfragen? Wäre mir recht.

Während nicht nur aus der Richtung des Europarats Warnungen vor dem Gesetz kommen, sondern sogar vom Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit der Vereinten Nationen (Golem, Heise), hat die EU zwischenzeitlich in dem Notifizierungsverfahren ihr Einverständnis zu dem Gesetz gegeben. Wie jedoch durchgesickert ist, sei das jedoch bei Weitem nicht aus fachlicher Überzeugung passiert, sondern man wollte angeblich nicht in den Bundestagswahlkampf eingreifen (haben wir denn einen?). Eigentlich ist das wieder ein Armutszeugnis für die EU: Die eigenen Regeln, das eigene Recht werden gedehnt, gestaucht und ignoriert, je nachdem, wie man es braucht. Es ist wichtiger, Merkel und Schulz nicht zu verärgern, als zu den Menschenrechten zu stehen. Wenn es jedoch gegen Ungarn oder Polen geht, dann ist allerdings das Heben des moralischen Zeigefingers und die politische Einflußnahme schon in Ordnung oder gar ein Imperativ.

Um nach dieser Kritik und auch nach einem ebenfalls vernichtenden Gutachten des juristischen Dienstes des Bundestages das Gesicht zu wahren, hat die GroKo nun das Gesetz doch noch abgeändert. Aber die beiden wesentlichen Probleme bleiben bestehen: Einerseits wird die Entscheidung, ob eine Äußerung strafbar ist oder nicht, weiterhin an den privaten Betreiber delegiert, obwohl in einem Rechtsstaat dies ausschließlich Gerichten vorbehalten ist. Auch die Androhung von horrenden Strafen bleibt, womit das Problem des potentiellen Overblockings bestehen bleibt.

Andererseits bleibt die Auskunftspflicht des Betreibers über den Autor gegenüber privaten Personen und Unternehmen erhalten, falls sich jemand beleidigt fühlt und eventuell die Absicht hat, Rechtsansprüche geltend zu machen – sprich, es wird nicht sonderlich geprüft, ob der Auskunftsanspruch gerechtfertigt ist. Das hebelt das Recht auf anonyme Meinungsäußerung aus und läßt sich auch mißbrauchen – radikale Gruppen von rechts bis links, von Feminismus bis religiösen Fanatismus könnten die Identitäten ihrer Kritiker aus dem gemäßigten Milieu ermitteln und sie in der »realen« Welt bedrohen oder gar schädigen.

So ist auch nicht sonderlich überraschend, daß die Bürgerrechtler und Netz-Aktivisten ihre Meinung über die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes nicht geändert haben. Die letzten Appelle werden ungehört im fast leeren Bundestag am nächsten Freitag verhallen, wenn ein paar abgestellte Parlamentarier hirnlos im Auftrag ihrer Parteien abstimmen werden. Ein kleiner Trost ist, daß davon auszugehen ist, daß auch hier in den nächsten Wochen und Monaten Klagen beim Bundesverfassungsgericht eintrudeln werden.